Die Elefanten-Brüllerin

Die Elefanten-Brüllerin

Für einen absurd lustigen Moment fährt mir der Gedanke durch den Kopf: wenn er jetzt seinen Rüssel hebt, kann er Beate die Brille vom Gesicht nehmen.

Ein paar Augenblicke zuvor war der Elefant plötzlich aus dem Dickicht rechts neben uns aufgetaucht, brüllte lautstark und lief ein paar Meter auf uns zu.

Draußen in der Wildnis wäre dies keine Überraschung gewesen. Doch wir befinden uns im Städtchen Victoria Falls gleich neben den Wasserfällen und schlendern einen Fußgängerweg entlang in Richtung eines Cafés.

Er bleibt ebenso plötzlich, wie er aus dem Gebüsch kam, 2 Schritte von Beate entfernt stehen, die sich keinen Zentimeter von der Stelle rührt und ihn anbrüllt.

Ich bin direkt hinter einen neben mir stehenden Baum und brülle mir die Seele aus dem Leib. Halb Richtung Elefant, halb Richtung Beate. Sie soll zwei, drei Schritte zurückgehen, hinter einen Baum.

Es gibt diese 5-Euro-fürs Phrasenschwein Beschreibung von Momenten, die zu einer Ewigkeit zu werden scheinen. Dies ist so einer. Dann endlich registriert sie mich und weicht zurück hinter den Baum. Etwa 20 m hinter uns an einer Straße brüllen Leute, gut 20 m links von uns brüllen Leute, Beate brüllt, ich brülle.

Interessanterweise fühlen wir beide keine Panik. Vielleicht fokussiert sich das Hirn in einem solchen Augenblick auf das zum Überleben absolut notwendige. Alles andere wird ausgeblendet und wäre reine Energieverschwendung. Die Angst bricht erst einige Zeit später durch.

Die Ohren des Elefanten sind weiter aufgestellt, ein überaus deutliches Zeichen von Aggression. Aber jetzt wir stehen beide hinter Bäumen, er kann uns nicht mehr direkt angreifen. Von nun an ist es eine Art Geduldspiel, bis er sich endlich wieder in den Busch verzieht.

Es dauert noch etwas, vielleicht eine Minute, vielleicht zwei. Das Zeitgefühl ist schlichtweg nicht vorhanden. Nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit geht er … endlich.

Wir setzen unseren Weg zum Café fort, Trinken etwas, Essen etwas, genießen die Aussicht Richtung Wasserfälle und simulieren Normalität. Später erfahren wir, dass es in Victoria Falls immer wieder zu tödlichen Angriffen von Elefanten kommt. „Butchered and slaughtered“, wie es ein Einheimischer formuliert.

Erst kurz vor dem Abendessen bricht die Angst bei mir so richtig durch. Wahrscheinlich hatten wir wesentlich mehr Glück als Verstand.

Und für mich steht fest: Ab heute werde ich Beate ab und zu „die Elefanten-Brüllerin“ nennen.

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