Es riecht hier überall nach Seife
Ja der Titel ist mal wieder überhaupt nicht für google optimiert. Aber es ist der Satz, über den ich heute am längsten nachgedacht habe.
Aber der Reihe nach. Der Tag begann mit, „lass mal liegenbleiben“ meinerseits und wenig Widerspruch von Jörgs Seite. Wir wohnen gerade in so einer Art Ferienwohnung. Alles was man braucht – inklusive Mikrowelle und Bügeleisen – auf etwa 18qm Grundfläche und zwei Ebenen. Sauber, modern und praktisch. Gut funktionierende Klimaanlage inklusive.
Wir haben uns gestern noch mit einem einigermaßen leistbaren Müsli, Bananen und Milch für früchstücksautark erklärt. So können wir ohne Not zu leiden, tatsächlich erst um Mittag aus dem Haus. Unser Mini-Loft hat zwar Fenster, die sind aber alle undurchsichtig, so stellen wir erst auf der Straße fest, dass heute ausnahmsweise mal wirklich die Sonne scheint.
Die Zeit der Ruhe haben wir natürlich auch genutzt um Pläne zu schmieden, und heute wurde beschlossen „Little India“, einer der älteren Stadtteile aufzusuchen. Ein riesiger Bogen mit bunten indischen Figuren überspannt die Serangoon Road als wir ankommen.
Indien ist ja so ein wenig Jörgs ewiger Sehnsuchtsort. Die Menschen, das Essen und vielleicht auch die vergangenen rotgoldenen Jünglingslocken lassen ihn gerne schnell wehmütig werden. Das ging auch diesmal recht schnell, der Anlass ein Lakshmi Tempel, ein Priester der Jörg das Bindi, den roten Punkt, aufträgt (ich muss das als Frau im Gruppenzwang selbst machen, weil nicht berührbar) und natürlich ein nettes Gespräch. Der orange gewandete Priester plaudert mit uns und freut sich, dass ich die mir geschenkte Süßigkeit als Ladoo erkenne. Er kommt ursprünglich aus Varanasi. Die indischste Stadt die ich so kenne. Er schenkt uns Bananen und muss dann wieder seinen eigentlichen Aufgaben nachkommen. Es sind auch wirklich gläubige Inder anwesend.
So beseelt bewundern wir weiter die bunt gestrichenen Häuschen, Wandmalereien, übermäßig viele Geschäfte mit Blumenschmuck, Goldschmuck und alles was man für die Ausstattung eines Bollywood Movies so braucht. In einer Seitengasse finden wir eine Essensstand mit Sitzgelegenheiten, Samosas, Kokosnüssen und Massala Chai.
Das wird unsere Mittagspause. Unter dem Dach des pragmatischen „Lokales“ sitzen nur Männer, die sich bei den üblichen gut 30 Grad zum Mittagessen ein oder mehr Bierchen gönnen. Das Bier heißt tatsächlich „Knock-Out“. Ich hoffe sie hatten schon Feierabend.
So gestärkt wandern wie weiter durch Gässchen. Ist schon mehr los in diesem Stadtteil, vor allem sind die Straßen enger und überall wird irgendwas angeliefert und eingeräumt. Kein Vergleich mit Indien, aber schon etwas trubeliger als in den Stadtteilen die wir bisher gesehen haben. Das Wetter macht schon ein wenig müde und durstig und wir gehen an einem Lokal vorbei, das eine nette überdachte Terrasse hat und wir beschließen noch einen Tee zu trinken. Den kriegen wir auch, wie sich jedoch später herausstellt sind wir ausgerechnet in Little India in ein französisches Lokal mit verbriefter Expertise in der Soufflèe Herstellung geraten.
Das erfahren wir vom „Chef“ selbst, der irgendwann aus dem Lokal kommt und uns fragt ob wir noch mehr bestellen wollen. Dessert bietet er an. Tiramisu. Ich wehre vielleicht etwas zu entsetzt ab, Jörg rettet das mit der Frage, was er denn empfehlen könne. Wir bestellen das empfohlene Soufflée mit Kahlua und Walnusseis. Sehr lecker. Und dann kommen wir ins Gespräch. Und es wir sofort spannend.
Der Lokal-Chef ist geboren in Singapur, stammt aber aus dem Süden von Indien und ist Tamile. Jörg will wissen wo er sich mehr Zuhause fühlt, in Indien oder in Singapur. Und die Frage ist wohl nicht leicht zu beantworten, da er als Kind zwei Jahre im ländlichen Indien verbracht hat und deshalb nicht nur Singapur kennt. Er nennt beides seine Heimat, meint aber, dass ihm in der Jugend Singapur besser gefallen hätte. Es würde mittlerweile in Singapur alles nur noch um Geld und Fortschritt gehen, und im Gegensatz zu Indien wo jeder seine Heimat, auch an verschiedenen Gerüchen erkennen würde, rieche hier in Singapur alles nur nach Seife und sei steril. Es fehle den Singapureinwohnern an Identifikation und an Gefühl für die Stadt. Wenn ich das jetzt so lese, könnte ich fast auf die Idee kommen, dass die deutsche Hauptstadt der Heimatgefühle Köln, möglicherweise deshalb ein Problem mit der Sauberkeit hat? Mal sehen ob der Satz vom Lektorat noch kassiert wird ;-)
Ja auf jeden Fall war das ein sehr zum Nachdenken anregender Nachmittag und wir genießen im Moment wirklich den Luxus uns sehr viel Zeit für die Singapur-Erkundung genommen zu haben. Und sind gespannt was uns noch so erwartet.
Nicht vergessen wollen wir aber auch den letzten Programmpunkt für heute – die Teilnahme am vier Wochen dauernden Festival „Christmas on A Great Street“, keine Ahnung wie es zu diesem Namen kam, aber große exklusive Marken sponsern diese überwältigende Weihnachtsbeleuchtungsorgie entlang der Orchard Road, der größten Einkaufsstraße hier. Zwei Kilometer mit Weihnachtsbeleuchtung, Weihnachtsmusik und Weihnachtsshopping Es riecht zwar nicht direkt nach Seife, aber nach Dior und anderen edlen Duftwässerchen.