Wracktauchen

Wracktauchen

Der Ausblick, der sich dem US-amerikanischen Piloten des B24 Bombers am 3. Mai 1945 bietet, könnte paradiesischer kaum sein. Das Wetter ist wunderbar, die Sonnenstrahlen spiegeln sich im tiefblauen Meer, aus dem sich eine üppig tropisch grüne Vulkaninsel erhebt, mit einer Handvoll, etwa 200 bis 300 hohen Kegelbergen. Rechts neben den Kegelbergen erkennt er vielleicht noch das kleine, malerische Stelzendorf, rund zweidutzend Holzhütten, die vom Ufer ins Meer hineinragend gebaut wurden.

Doch wahrscheinlich hat er kein Auge für all das. Er und 10 weitere Angehörige der US-Armee, die im Flieger sitzen, gehen wahrscheinlich jeder durch seine eigene Hölle. Ein technischer Defekt zwingt die viermotorige Propellermaschine zur Landung. Der üppige Dschungel und die Berge lassen keine Notlandung an Land zu. Die einzige Chance ist eine Landung zu Wasser.

Dem Piloten gelingt eine fliegerische Meisterleistung. Etwa 300 m vor dem kleinen Dorf kommt der Bomber auf dem Meer zum stehen. Die 22 m lange und 17 m breite Maschine sinkt zwar im Laufe der nächsten Minuten, aber alle 11 Insassen retten sich in das nahegelegene Dorf.

Die Stelle, an der der Bomber gesunken ist, markiert heute eine runde, weiße Boje. In 25 m Tiefe ruht er dort seit diesem 3. Mai vor 73 Jahren. Zusammen mit einem Schweizer Pärchen, beide Anfang 30, will ich mit unserem Tauchguide Dorian dort hinuntertauchen. Mein erster Tauchgang nach meinem Kurs. Entlang der Bojenleine lassen wir uns langsam in die dunkle Tiefe hinab. Die Sicht beträgt nur eine Handvoll Meter. Ein Blick von oben in der Totalen auf das Wrack ist nicht möglich.

Ziemlich plötzlich taucht das Ende des linken Flügels kurz unter uns auf. Über den tauchen wir die 17 m bis zum Rumpf des Wracks langsam entlang. Zahlreiche Korallen und Pflanzen überwuchern mittlerweile den Flügel. Die Propellerantriebe ragen vom Flügel ab. Im trüben, grünen Wasser wirkt die Farbe der B24 sandgrau.

Am Ende des Flügels ist das Cockpit gut zu erkennen. Die Fensterrahmen sind noch halbwegs intakt, wenn auch zum Teil von Korallen bewachsen. Auch die Sitze des Piloten und Copiloten sind noch erhalten. Wir überqueren den Flieger, tauchen langsam auf seiner rechten Seite hoch zur nach wie vor senkrecht hochstehenden, aber von zahlreichen großen Korallen überwucherten Heckflosse.

Einblick ins Innere des Bombers

Auf dem Weg dorthin gibt ein ovales, etwa 1m hohes und 1,5 m breites Seitenfenster Einblick in das Innere. Ein paar Gegenstände liegen da noch auf dem Boden herum. Doch es ist zu dunkel oder sie sind schon zu sehr zugewachsen, als dass ich sie identifizieren könnte.

Am Anfang des Bordgeschützeslaufes hat eine Anemone erobert, die drei Clownfisch (Nemos) als Schutz nutzen. Nach gut 40 Minuten geht es wieder an die Oberfläche mit einem dreiminütigen Dekommperssionsstop auf 5 m unterhalb des Meeresspiegels. Nichts mehr zu sehen von hier oben. Nur das hinabführende Seil der Boje zeigt an, wo das Wrack liegt.

Wieder auf dem Boot gibt es Tee und Kekse. Die Sonnenstrahlen spiegeln sich im Meer. Ich versuche mir vorzustellen, wie erleichtert die 11 nach der geglückten Wasserlandung gewesen sein müssen. Wie sie rüber zum Dorf schwammen oder von Einheimischen in Boote gezogen wurden. Und ich bin mir sicher, dass sie danach doch noch die Schönheit der Landschaft genießen konnten – zumindest fast so wie ich jetzt.

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