Wellness für die Ohren
Ja, Singapur ist sehr relaxed.
ABER
All I want for christmas is … dass diese endlose Dauer-Weihnachtsbeschallung immer und überall aufhört. I‘m dreaming of a … Ende dieser akustischen Folter. Last Christmas … und auch alle Weihnachten davor war es ruhiger. Silent night … ist das, was wir herbeisehnen. Santa Claus is … des Todes, wenn ich das noch öfter hören muss. Und die Jingle Bells kriegen dermaßen was auf die Glocken, dass Schluss, Aus, Ende, Feierabend ist mit dem Läuten.
Ok, ihr bemerkt an diesen ersten Zeilen, mein Ruhepuls explodiert Richtung Bereich der Nasenfarbe von Rentier Rudolph.
Also begeben wir uns an diesem Sonntag nach unserem mittlerweile schon obligatorischen 12 Uhr Frühstück auf die Suche nach einem weihnachtssongterrorfreien Ort.
Mit der National Gallery finden wir die erhoffte Wellness-Oase für unsere geschundenen Hörorgane. Das strahlend weiße, vor knapp 100 Jahren im neoklassizistischen, kolonialen Stil (Danke, google) erbaute Museum für süd-ost asiatische Kunst, krönt eine große Kuppel, die St. Paul’s Cathedreal in London erinnern soll.
Neben zahlreichen Gemälden bietet die Gallery auch ein sehr kleines Kino. Auf dem Programm steht ein Film aus den 50ern. Ein Mann ist mit 3 Frauen gleichzeitig verheiratet, ohne dass diese voneinander wissen. Als sie es herausfinden, findet eine wilde, oscarreife Verfolgungsjagd statt, an deren Ende der Mann zur Strafe mit allen dreien leben muss. Gut, über den pädagogischen Wert dieser Strafe kann man geteilter Meinung sein.
Auf jeden Fall kommt ein Museumswächter danach lachend auf mich zu, klopft mir auf die Schulter, meint 3 Frauen wären schön, 5 wären besser und schüttelt mich lachend durch. Nun steht Beate genau einen Meter daneben und als guter Ehemann weise ich selbstverständlich darauf hin, dass eine Frau, wenn sie denn die richtige sei, auch völlig ausreiche.
Er erblickt in diesem Moment Beate, sagt weiterhin lachend so was wie „ah, du bist verheiratet, verstehe“, umarmt mich wie wie einen Bruder und wir verabschieden uns immer noch lachend.
Beate schaut etwas verwundert, denn sie hat die Situation bestenfalls nur halb mitbekommen. Wir schlendern anschließend weiter durch die Hallen. Beate inspiriert von soviel Kunst, vertieft dabei ihre Kunstfertigkeit bezüglich ihren Video- und CapCut-Skills.
Nach mehreren Stunden Grundreinigung der weihnachtsliederverschmutzen Ohren wagen wir uns wieder nach draußen. Am Singapore-Fluss blicken wir nach Sonnenuntergang auf das Lichterspektakel in den Hochhäuser um uns herum, dass bei Einbruch der Dunkelheit gegen 19 Uhr einsetzt.
Zeit für eine Stärkung aka eine neue Runde experimentelles Essen. Eine belebte Nebenstraße bietet beidseitig nicht nur 30 oder 40 nebeinander liegende Lokale, sondern kommt dankenswerterweise auch komplett ohne Weihnachtsbeschallung aus. Ok, dafür dröhnt viel Asia-Techno-Mucke aus den Lautsprechern, aber hey, man kann nicht alles haben.
Wir bestellen irgendetwas ohne genau zu wissen, was genau und erhalten einen zweigeteilen Suppentopf. Die eine Hälfte beige, gefüllt mit Hühnerbrühe, die andere mit Hälfte rot gefüllt mit Scharf. dazu gibt’s noch Hühnchen, Morcheln, Nudeln, Beef und Salat. Je nach Geschmack und Laune lassen wir die Zutaten mal in der einen, mal in der anderen Suppentopfhälfte erwärmen.
Bei der Schärfe denke ich an „Let it snow, let it snow …“ und wünsche mir zur Abkühlung Schneefall auf meine Zunge. Ganz überwunden scheint mein Weihnachtslieder-Trauma noch nicht zu sein.