Gestank, Disneyland und Hitler

Gestank, Disneyland und Hitler

Zugegeben, die runden Kulleraugen – insbesonders bei den Kleinen – sind herzzerreißend süß. Und wenn sie mit ihren Flossen über den Strand robben, ist das putzig. Doch diese Viecher stinken. Und zwar so was von erbärmlich. Pelzrobben in Massen sind ein einziger Anschlag auf den Geruchssinn. Nur wenige Kiliometer südlich von Cape Cross liegt eine riesige Pelzrobbenkolonie. Bis zu einer Million sollen sich hier zeitweise befinden. Keine Ahnung, wie viele am heutigen Montag da waren. Aber sicher ist, es waren sehr sehr sehr viele. Und sicher ist auch, dass jede deutsche Mülldeponie vergleichsweise eine Wellnessoase für die Nase ist.

Herbstwetter und Gestank: gleich 2 gute Gründe Abschied von Cape Cross zu nehmen. Wir fahren immer südlich die Küste runter bis Swakopmund. Die Wüste zur Linken erstreckt sich bis zum Horizont ebenso flach und eintönig wie der Atlantik zur Rechten. Hinter einem Örtchen namens Henties Bay, wo wir unsere Vorräte – also Fleisch – aufstocken, sehen wir endlich ein richtiges Schiffswrack.

Wie viele Schiffe an der Skeleton Coast gestrandet sind, weiß niemand. Aber die Schicksale zahlreicher Seeleute muss furchtbar gewesen sein. Entweder sind sie gleich ertrunken. Oder sie konnten sich an Land retten. Und dort, am scheinbar rettenden Ufer, wartete auf sie eine schier endlose Wüste ohne eine einzige Wasserstelle. Ertrinken oder Verdursten.

Gegen Mittag erreichen wir die alte Kolonialstadt Swakopmund. Die Übersetzung dieses Wortes bedeutet tatsächlich „Exkremente-Mündung“. Also, alles scheiße hier? Ne, im Gegenteil! Die 34.000 Einwohner zählende Stadt wirkt auf uns mit seinen herausgeputzen Kolonialgebäuden und den zahlreichen deutschsprachigen Geschäften und Schildern fast schon wie eine Disneyland-Version eines Nordseebades.

Beate besorgt sich neue Sandalen, nachdem ihre alten ja im Etosha Nationalpark beim großen Schakalen-Beißtest durchgefallen waren. Wir beißen zum Mittagessen in Bratwürste mit Sauerkraut im Erdinger Brauhaus. Das muss sein. Einfach so. Als Gag. Leberkäse, Haxen, Kässpätzle und weitere Klassiker guter deutscher Küche stehen außerdem noch auf der Karte. Apropos Küche: bad news für alle Fans amerikanischer Klassiker. Namibia ist eine komplett Mc Donalds freie Zone.

Den Nachmittag wollen wir dann eigentlich gemütlich auf einer Campsite außerhalb von Swakopmund verbringen. Aber irgendwie mögen wir das Ding nicht. Zu laut, weil zu dicht an einer Straße. Einige Kilometer weit raus in der Wüste soll sich eine Mondlandschaft befinden. Und in der Nähe auch Plätze zum Campen. Also hin.

Die Mondlandschaft gehört in die mittlerweile fast schon alltägliche Kategorie „Wow – aber kann man nicht wirklich fotografieren“. Wir versuchen es natürlich trotzdem. Aus reiner Neugierde folgen wir durch die schwarz-graue und vegetationsfreien Felslandschaft einem Hinweisschild „Goanikontes Oase“. Und wieder „Wow – aber …“. Plötzlich öffent sich ein sattgrünes Tal vor unseren Augen. Eine kleine von einer deutschen Familie betriebene Farm steht hier. Wir entscheiden hier zu übernachten. Wie fast immer außerhalb von Etosha sind wir die Einzigen. Auspacken, Feuer anzünden, Grillen.

Dann schaut die Inhaberin noch bei uns vorbei. Obwohl schon in der 5. Generation hier lebend, spricht sie mit einem lustigen norddeutschen Akzent. Sie berichtet ausführlich von den Mühen des Farmerdaseins. Früher, bevor die Regierung den weißen Farmern das Leben schwer gemacht habe, sei vieles leichter gewesen. Außerdem seien die Neger respektvoller und zuverlässiger gewesen. Und so schlecht sei Hitler ja nun auch nicht. Immerhin habe er zunächst einiges aufgebaut. Die Juden? Ach ja, ob das mit den 6 Millionen Toten wirklich so stimme? Wohl eher nicht.

Wir sprechen die selbe Sprache. Und doch leben wir in völlig unterschiedlichen Welten.

 

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